Frage: Wie wird man ein Top-Torhüter? Wie groß ist die Chance? Mein Sohn ist 13 und Torwart. Er spielt Bezirksliga, war zweimal in der Landesauswahl dabei. Wie kann man ihn mehr fördern? Ehrgeizig ist er. (Die Frage wurde gekürzt, um die Anonymität zu wahren.)

Antwort: 

Wie wird man ein Top-Torhüter? Für mich stellt sich die Frage, wie wird man ein Top-Torspieler, weil die Entwicklung immer mehr in die Richtung Torspieler geht. Bei den Fragen an die Torspielertrainer am Rande des Mercedes-Benz Junior Cups wurden die Entwicklungen immer mehr in Richtung Spieleröffnung und Raumverteidigung gesehen (Fragen an TorspielerTheo). Das wird meiner Meinung nach auch immer mehr Spielaufbau und Erzeugen von Überzahlsituationen sein.

Um zu klären was ist ein Top Torspieler / Torhüter / Torwart, muss uns zunächst klar sein, was wir darunter verstehen. Top bedeutet sehr gut. Dabei passen auch sehr gute Torspieler nicht zu jedem System. Es kann für einen Trainer durchaus Sinn machen, auf den schlechteren Torspieler zu setzen, weil dieser zum System oder zur Mannschaft besser passt.

Man kann den Begriff Top natürlich auch so sehen, dass man die bekannten Stars damit meint. Allerdings bin ich der Meinung, dass eben viele sehr gute Spieler den Sprung zum Star nie schaffen. Das liegt einfach auch daran, dass der Sprung ins Profigeschäft nicht nur Können sondern ganz viel Glück ist. Vielen ist das nicht klar.

Ob ein Kind in der U13- oder U15-Auswahl spielt, hat meiner Meinung nach noch gar nichts damit zu tun, ob es sich um einen potentiellen Profi handelt oder nicht. Natürlich wird an den Stützpunkten gesichtet und die Trainer dort geben sich Mühe. An fast allen Stützpunkt gibt es jedoch keinen Trainer, der wirklich etwas von den Torleuten versteht. Das wird bei den Landesauswahlen zwar tendenziell besser. Wer im Tor spielt hat eben einen schweren Stand.

Was man auch  sehen muss, die meisten wirklich guten Trainer halten sich nicht lange im DFB-Fördersystem auf. Die wechseln zu einem Top-Verein. Gründe sind, dort entsteht schneller ein Netzwerk und die Vereine zahlen besser.

Ich habe in der Vergangenheit viele Spieler gesehen, bei denen ich mich gefragt habe, warum ist ausgerechnet der in der Auswahl und warum der nicht. Wenn man das über Jahre hinweg beobachtet, stellt man fest, dass einen einige Spieler eben später überraschen. Die meisten aber verschwinden irgendwo. Tatsache ist, eine U13-Auswahl hat aus meiner Sicht gar keine Relevanz. Eine U15-Auswahl hat vielleicht eine Minimalchance einzelne Spieler auch in höhere Spielklassen zu bringen.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, das ein U13- oder U15-Spieler tatsächlich den Sprung in die 1., 2. oder 3. Liga schafft? Die Aussage ist etwas schwieriger. Was ist ein Erfolg? Geht es um ein Spiel oder geht es darum dort über Jahre im Stammkader zu spielen. Stand Juli 2017 gab es in Deutschland 54 Nachwuchsleistungszentren (NLZ). Jedes NLZ hat pro Jahrgang etwa 2 Torspieler. Da kommen jedes Jahr welche dazu und fallen welche weg. Ab der U17 ist dieser Austausch reduziert. Da kann man Aussagen treffen.

In den NLZ gibt es also ca. 108 Torspieler in einem Jahrgang. Bis in den Profibereich kommen vielleicht noch maximal 10 dazu, wofür natürlich andere wegfallen. Das wären 118 Torspieler. Die 1. bis 3. Liga hat 3 x 18 = 54 Mannschaften. Ein Torspieler, der sich etabliert hat, spielt im Schnitt 10 Jahre.

Damit werden jedes Jahr in Deutschland ca. 10 bis 11 neue Torspieler als Profis benötigt.

Das heißt, die Wahrscheinlichkeit für ein „U17-Talent“ in einem NLZ Profi zu werden beträgt maximal 10%. Ein Arzt würden dazu sagen „in seltenen Fällen“. Für ein U15-Talent würde ich von maximal 5% ausgehen. Der Rest scheitert im besten Sinne des Wortes.  Zu Scheitern ist auch gar nichts schlimmes. Es ist eben ein Teil der Persönlichkeitsbildung.

Mein Papa sagt dazu immer:

„Wer erfolgreich sein will, muss akzeptieren, dass er scheitern kann. Ein Erfolg ist nur dann ein Erfolg, wenn das Scheitern eine echte Option war.“

Mir sagte einmal ein Torwarttrainer aus einem NLZ, dessen Namen ich hier nicht nennen will:

„Wir spielen mit den Träumen der Kinder. Die meisten Träume platzen.“ Besser kann man das wohl nicht beschreiben.

Wie geht man jetzt damit um. Ich halte nichts davon, den Kindern zu erzählen, dass sie sowieso nie Profis werden. Wer soll träumen, wenn nicht die Kinder? Allerdings kann man eins sicher sagen, wer nur träumt, wird es nie schaffen. Wer aus seinem Traum ein Ziel macht, das heißt, wer hart arbeitet, Fußball lebt, Fußball denken kann, mit Menschen gut auskommt und Rückschläge ohne seelische Schäden übersteht, der kann es (in seltenen Fällen) schaffen.

Das sollte man den Kindern auch so sagen. Auf dem Weg zum Profi gibt es viele Rückschläge. Darunter leiden oft die Eltern mehr als die Kinder. Da müssen die Eltern dann durch. Bestärkt eure Kinder. Auch wenn es nichts wird, sie lernen wirklich wichtige Sachen für das Leben.

Was ich an dieser Stelle Eltern mit auf den Weg geben will: Richtet euer Leben nicht danach aus, dass die Kinder Fussball spielen. Helfen, unterstützen, trösten und und und was Fußballeltern alles so leisten, ist in Ordnung. Es geht aber immer um das richtige Leben und die Kinder und nie um den Traum.

Ich habe viele junge Menschen getroffen, deren Eltern hatten sich auf Grund der „Fußballkarriere“ des Kindes auseinander gelebt. Viele wollten nach der Scheidung ihrer Eltern kein Fußball mehr spielen. Vergesst, was euch Trainer in den NLZ sagen! Die haben ein momentanes Problem zu lösen und sind deshalb nicht unbedingt immer ganz ehrlich. Stellt euer Kind in den Mittelpunkt aber opfert die Familie nicht dem Eltern-Traum vom Fußballprofi.

Oft hat man bei Kindern und Jugendlichen dann Diskussionen zum Thema Schule. Diese werden abgewürgt mit „Ich werde sowieso Profi.“ Es macht auch keinen Sinn, dagegen anzugehen. Besser ist es, mit den Kindern über einen Plan B zu sprechen. Alle Ex-Profis, die ich kenne, haben am Ende ihrer Karriere irgend etwas gearbeitet. Wenn man jetzt also an ein Kind mit der Argumentation Schule nicht heran kommt, macht es Sinn, über die Zeit nach der Profi-Karriere zu sprechen. Ob das dann mit 19 oder 35 ist, ist ja egal. Damit hilft man dem Kind für das Leben. Vernünftige Schulnoten helfen auf jeden Fall auch, für ein Leben nach der Profilaufbahn.

Wie kann man jetzt einen ehrgeizigen jungen Fußballer sportlich fördern? Auch das ist nicht ganz einfach. Grundsätzlich braucht ein Torspieler immer mindestens einen, besser mehrere Torspielertrainer, die mit ihm arbeiten. Hinzu sollte ein intensives Training von Fußball stattfinden und das Kind sollte häufig spielen. Dabei ist zunächst gar nicht die Spielklasse relevant. Es geht um Praxis.

Mit 13 Jahren ist es unwahrscheinlich wichtig auf Rumpfstabilität zu achten. Ist die nicht vorhanden, rächt sich das später. Rumpfstabi wird für alle Torwarttechniken benötigt. Wenn ein Kind dann einmal 15 Jahre alt ist, muss es sich auch zunehmend mit Beweglichkeit (zum Beispiel Joga oder Turnen) und der professionellen Lebensweise sprich gesundes Essen und Regeneration beschäftigen. Das sind aber Themen, die gehören, wenn es irgend geht, in das Umfeld eines professionellen Trainers.

Zum Schluß zitiere ich Ilja Hofstädt (DFB-U17-Nationaltrainer und Torwartkoordinator bei Hertha BSC) unauthorisiert. Der sagte zu mir:

„Theo, warum willst du Profi werden? Werde Torwarttrainer! Das ist der schönste Beruf, den es gibt. Und da zählt Leistung wirklich.“

Recht hat er. Das ist doch ein guter Plan B, oder?

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